Streitdorf

Kulturspaziergang – Vergangenes erleben

4. Kulturspaziergang am 1.Juni 2014

Wie kam es zur Entstehung von Streitdorf?

Die von Resten einer germanischen Mischbevölkerung dünn besiedelte Gegend wurde um 600 zusätzlich von slawischen Stämmen besiedelt, die unter dem Druck asiatischer Reitervölker vom heutigen Mähren herkommend in das Weinviertel eindrangen. Die geringe Anzahl von Menschen war eine Folge der im heutigen Weinviertel über einen Zeitraum von 500 Jahren ständig stattfindenden Kriegen. Dazu kam auch noch die Zeit des Umstieges der Bauern von der reinen Viehwirtschaft zur Feldwirtschaft, wenn auch zuerst in primitiver Form. Der Bauer wurde mehr vom Wetter abhängig. Das Ackern der Felder erfolgte noch mit dem primitiven Hakenpflug, der die Erde mehr aufkratze als pflügte.

welche das Donautal ungefähr bis Mautern umspannte. Er erweiterte seine Mark bis Greifenstein. 991 versuchten die Ungarn diesen Teil wieder zurückzuerobern, wurden aber von einem kaiserlichen Heer zurückgeschlagen. Luitpolds Sohn Heinrich II. konnte die Mark um 1000 bis an die March und an die Leitha ausdehnen. Dies ist durch Schenkungsurkunden, die noch erhalten sind, belegt.  Das ist daher auch die Gründungszeit unserer Orte, weil jetzt fränkische und bayerische Siedler in unseren Raum kamen. Diese Siedler brachten eine ganz andere Kultur mit. Sie siedelten nicht mehr in Streusiedlungen, sondern in geschlossenen Dörfern, das den Vorteil hatte, das Dorf besser gegen Angriffe verteidigen zu können. Die Franken brachten auch die Trennung von Wohnhaus und Stall mit, welche nun nicht mehr unter einem Dach waren. Auch den Rauchfang brachten sie mit, der nun dafür sorgte, dass der Rauch des Herdfeuers nicht mehr im ganzen Haus herumzog.

Gründung

Die Pfarre Stockerau entstand vor 1123 und dürfte zusammen mit Niederhollabrunn und dem Michelberg gegründet worden sein. Schon bald danach wurde Streitdorf gegründet, denn die Herren von Streitdorf scheinen 1150 mit dem Ritter Waltherus de Stritdorf erstmals urkundlich auf. Es dürfte sich auch ein Schloss hier befunden haben, von dem aber noch keine Spuren entdeckt wurden. Es werden noch einige Familienmitglieder genannt, wie 1177 ein Reinoldus de Stritdorf, der ein Ministeriale der Landesfürsten war, dann die Brüder Reinger, Nordolfus, Riwinus und Hugo von Streitdorf ab dem Jahre 1192. Ein Ullrich von Streitdorf scheint noch in einer Urkunde von 1303 als Zeuge auf und damit dürfte die Familie ausgestorben sein.

Der Name Streitdorf stammt wahrscheinlich von dem ersten Schloss ab. Wahrscheinlich deutet der Name auf „umstrittenes Gut“ und die Herren von Streitdorf nannten sich dann auch „von Streitdorf. Der Besitzer war allerdings der Landesfürst und so gab es verschiedene Adelige als seine Lehensleute.
1254 gab Ulrich von Gaden, dessen Familie den Ort Bruderndorf gestiftet haben seinem Bruder Konrad verschiedene Besitzstücke im Dorf, damit er einer Schenkung an Heiligenkreuz zustimme. Den Meierhof sollte Konrad erst nach dem Ableben des Bruders erhalten. 1258 besaß das Stift Klosterneuburg 8 Lehen, 1447 die Wiener Burgkapelle, die schon 1357 zu einem Ackerzins gekommen war, einen Hof. Auch die Maissauer hatten hier Besitz. 1407 verkaufte der letzte dieser Familie Otto, zwei Höfe an Ulrich von Hohenwart. Auch der 1421 von den Töchtern des verstorbenen Jakob Senginger an Friedrich der Hering veräußerte Hof zu Nieder-Streitdorf ging wahrscheinlich auf die Maissauer zurück.

1378 kamen die Floiten, die auch Steinabrunn besaßen, in den Besitz des landesfürstlichen Lehens Nieder- und Ober-Streitdorf. Sie kauften 1380 Güter des Hans von Ebersdorf, veräußerten den Besitz aber um 1443 ans Frauenkloster St. Jakob auf der Hülben zu Wien. Das Kloster wurde 1445 damit belehnt, musste aber infolge eines Brandunglücks 1525 den Hof samt Renten dem Wolfgang Volkra auf Steinabrunn käuflich überlassen.
1462 wird die Burg Streitdorf als öde bezeichnet und 1543 war der Ort öde, weswegen Kroaten angesiedelt wurden. (Im Südosten des Habsburgerreiches wurden viele Kroaten durch ständige Überfälle im türkischen Grenzgebiet vertrieben. Sie fanden unter anderem 1543 in Streitdorf und 1553 in Bruderndorf eine neue Heimat)

Als Besitzer der Herrschaft Streitdorf gab es: 1378 Phillipp von Floyt, welcher dieses Mannslehen von Herzog Albrecht III. erhielt, 1421 Friedrich Hornig, 1530 Wolfgang Volkra, 1624 dessen Sohn Joachim, 1561 dessen Erben unter Vormundschaft, 1592 Ferdinand Volkra, 1624 dessen Sohn Wolf Christoph, 1670 Otto, Ferdinand und Gottlieb Freiherrn von Volkra, 1692 Theodor Graf Sinzendorf durch Kauf, 1711 Sigmund Graf Sinzendorf durch Abtretung von den Kreditoren seines Bruders Theodor, 1754 Wenzl Graf Sinzendorf durch Erbschaft, 1804 Prosper Fürst Sinzendorf.

Neues Schloss, neuer Besitzer

1809 kaufte der Stockerauer Fabrikant Josef Melchior Edler von Baldauf die Herrschaft Streitdorf. (Er war seit 1798 Besitzer der Bandfabrik, die im ehemaligen Klösterl untergebracht war). 1816 schied Streitdorf aus dem Verband mit Steinabrunn aus und Baldauf erbaute dann 1817 das jetzige Herrenhaus. Der alte Sitz wurde 1455 genannt und dürfte das Gebäude oder „Lusthäusl“ gewesen sein, von dem es heißt, dass es in einem der zwei Hofgärten auf einem Bergl gestanden habe. Es ist unwahrscheinlich, dass das alte Schloss vor dem jetzigen auf diesem Platz stand.

Das biedermeierliche Schloss Streitdorf (oder Herrenhaus) ist symmetrisch und schlicht gegliedert. Der Haupttrakt ist zweigeschossig und hat ein hohes Walmdach. Gartenseitig ist ein Terassenvorbau und rechts und links erhebt sich, durch ein großes Rundbogeneinfahrtstor jeweils vom Hauptbau abgesetzt, je ein niedriger Stalltrakt. Diese Trakte wiederum setzen sich im rechten Winkel nach rückwärts fort, sodass ein 3-seitiger umschlossener Hof entstand.

1829 kaufte August von Godeffroy die Herrschaft, die dann an Graf Carpine ging. 1913 kauften die Familien Kühtreiber und Pelanek die Herrschaft. Dr. Max Kühtreiber (verwandt mit der Familie Kühtreiber „Hubertusbier“ in Laa/Thaya) nach dem auch eine Straße benannt wurde, ist sicher den älteren Bewohnern noch in Erinnerung. 1955 erwarb sie Dipl.Ing. Karl Ratzenböck. Das nach dem 2. Weltkrieg stark vernachlässigte Gebäude, das auch lange Zeit unbewohnt war ging an neue private Eigentümer, die es renovierten um Wohnungen daraus zu machen. Der Gutshof und die Äcker wurden aufgelöst und haben nun auch neue Besitzer.

Der dem Schloss gegenüberliegende Wirtschaftstrakt machte schon lange Jahre einen sehr desolaten Eindruck, bis vor ein paar Jahren neue Besitzer kamen und diese Gebäude restaurierten.

Im Norden des Ortes ist der Gutshof. Es ist eine Vierflügelanlage mit Pilaster gegliedertem Haupthaus, in der jetzigen Gestalt aus den 19. Jahrhundert. Nebenan befindet sich der mächtige Kreuzstadel mit Kehlbalkendachkonstruktion aus dem Jahre 1800. Seit 1999 ist die Schweineprüfanstalt im alten Gutshof untergebracht. Es wurde viel renoviert und sogar der Kreuzstadel für Veranstaltungen wieder hergerichtet.

Kapelle

Die Ortskapelle wurde auf Initiative des Pfarrers Anton Hauer 1903 erbaut und dem Hl. Leonhard und Josef geweiht. Es ist ein faschen gegliederter Neobarockbau mit Tonnengewölbe und einem Ölbild des Hl. Josef. Vorher stand an diesem Platz eine Holzkapelle.
Aufgrund Metallmangels mussten die Kirchenglocken im Weltkrieg abgeliefert werden. 1948 wurde dann eine neue Glocke geweiht, wobei Kardinal Innitzer anwesend war.

Eisenbahnprojekt

Der Landesausschuss des Erzherzogtums Österreich unter der Enns beabsichtigte den Bau einer Eisenbahnverbindung Wien – Joslowitz mit einem Flügel Niederhollabrunn – Stockerau. Die neue Bahn wäre dazu bestimmt, einen großen Teil der fruchtbaren Gebiete von Niederösterreich an den allgemeinen Eisenbahnverkehr anzuschließen. Diese Landesbahn sollte daher hauptsächlich einer besseren Versorgung Wiens mit Lebensmitteln dienstbar gemacht werden. Projektiert wurde die Bahn 1913 und der Beschluss im NÖ Landtag wurde 1914 gefasst. Alle Gemeindevorstehungen wurden eigeladen, sich am 11. September 1914 in der Gemeindekanzlei Niederhollabrunn einzufinden und verkehrstechnische Aufklärungen entgegenzunehmen.
Stationen der Hauptlinie Stockerau – Joslowitz wären gewesen:
1. Leitzersdorf
2. Haselbach
3. Niederhollabrunn
4. Großmugl
5. Herzogbirbaum
6. Weierburg
7. Enzersdorf im Thale
8. Kammersdorf
9. Großharras
10. Stronsdorf
Zweiglinie Niederhollabrunn – Ernstbrunn:
1. Bruderndorf – Niederfellabrunn
2. Maisbirbaum
3. Simonsfeld
Das Projekt verzögerte sich, weil manche die Grundablösungen nicht gleich durchführen wolle. Dann brach der Erste Weltkrieg aus und das Projekt war somit gestorben. Auch ein weiterer Versuch nach dem Krieg scheiterte, da die Baukostenbeiträge der Gemeinden nicht aufzutreiben waren.

Kino

Am 3.10.1946 stellte Herr Votapek Friedrich (Streitdorf Nr.5) ein Ansuchen um Erteilung einer Lichtschauspielkonzession für Streitdorf mit dem Standort Streitdorf Nr. 7. Der Bezirkshauptmann bat diesem Konzessionsansuchen durch Gemeinderatsbeschluss Stellung zu nehmen. In der am 23.10.1946 abgehaltenen Sitzung des Gemeinderats wurde einstimmig beschlossen, die Konzession zu bewilligen. Das Kino wurde aber nur einige Jahre betrieben, weil Votapek wegzog.

Schule

1890 stellte die BH Korneuburg den Antrag, entweder die Schule von Niederhollabrunn (Mutterschule) dreiklassig zu führen oder eine Schule in Streitdorf zu errichten. Letzteres wurde beschlossen. Die Errichtung kostete im Jahre 1890 7.155.- Gulden (laut Gemeinderechnung). 73 Jahre lang wurden die Streitdorfer Kinder hier unterrichtet, bis sie 1963 geschlossen wurde. Die Kinder wurden nun in Niederhollabrunn eingeschult.

Gasthäuser

Gasthaus Strömer später Gasthaus Sickha wurde vor Jahren geschlossen. Ebenso erging es dem Gasthaus Reingruber.

Kindergarten

Während der Nationalsozialistischen Zeit gab es auch einen Kindergarten in Streitdorf.

Feuerwehr

Die Freiwillige Feuerwehr Streitdorf wurde 1904 gegründet.

Jagd

Die Jagdgesellschaft Streitdorf ist immer noch aktiv.

Milchgenossenschaft

Die Milchgenossenschaft wurde 1895 gegründet und bis Ende der 1980-iger Jahre betrieben.

Nach der Revolution 1848 und Abschaffung der Leibeigenschaft bildeten sich auch die Gemeinden neu und jede hatte ihren Bürgermeister. Im Gemeinderatsbeschluss vom 29.9.1970 wurde Streitdorf der Marktgemeinde Niederhollabrunn als Katastralgemeinde angegliedert. Ab 1865 gab es 19 Bürgermeister, wobei die ersten 5 bis 1882 gemeinsam mit Bruderndorf waren. Ab 1971 war dann Engelbert Schörg gemeinsamer Bürgermeister aller Katastralgemeinden.

Verdiente Personen

Pischinger Karl
Er wurde am 8.5.1823 als Sohn des Georg Pischinger, der Verwalter der Baldauf’schen Güter war, in Streitdorf geboren. Er war Maler der Romantik und studierte an der Akademie der bildenden Künste in Wien. Er war Landschaftsmaler, Tiermaler und Lithograph. Seine Blumenaquarelle zeichnen sich durch ihre Feinheit aus. Die Themen zu seinen Ölbildern waren aus dem bäuerlichen Leben genommen. Er war Zeitgenosse Waldmüllers. Gestorben ist Pischinger am 26.10.1886 in Liezen, Steiermark.